Günter Wirth-Jens Gerlach

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Günter Wirth 15:29, 13. Okt. 2012 (CEST) Jens Gerlach wurde am 3.1.1926 in Hamburg geboren und studierte nach seiner Schulausbildung von 1947 bis 1951 Kunstgeschichte und Malerei. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich durch verschiedene Arbeiten. Mit seinen lyrischen Versuchen hatte er keinen Erfolg und mußte stattdessen Werbesprüche verfassen.

1953 siedelte er in die DDR über und heiratete die Mannheimerin Katja Bischoff, die im Kinderballett der Deutschen Staatsoper eine leitende Funktion hatte. Sie bekamen eine Zweizimmerwohnung in Adlershof. Jens Gerlach verfasste voller Dankbarkeit zu seiner neuen Heimat eine Lyrik "Der Gang zum Ehrenmal", die umgehend veröffentlicht wurde.

Katjas Eltern waren Kommuunisten und fanden als solche keine Arbeit in Mannheim. Auch Katja nach Ausbildung als Battelltänzerin fand keine Anstellung, weshalb sie nach Berlin übersiedelte.

Anfang 1954 folgte Uta Bischoff ihrer Schwester nach Berlin und wohnte vorübergehend bis zu ihrer Heirat mit dem Leipziger Gesellschftswissenschaftler Eberhard Richter in der Wohnung des Natioanalpreisträgers Andre Asriel im Majakowski-Ring in Pankow.

Ich hatte Uta im West-Berliner Tanzlokal Eierschale kennen gelernt und war danach oft im Haus von Andre Asriel, machte mit seinen Nachbarn Ludwig Renn und der Witwe von Erich Weinert Bekanntschaft. Durch diese Verbindung bekam ich freien Zugang zu dem abgeriegelten und bewachten Bezirk um den Majakowski-Ring, der nach West-Deutschem Sprachgebrauch der Sitz der Pankauer Regierung war. Politischer Blödsinn! In dem Bezirk wohnten lediglich einige Regierungleute, z.B. Johnnes R.Becher, Wilelm Piek und alte Genossen wie die Witwe von Erich Weinert, und eben Künstler, wie Nationalpreisträger Andre Asriel. Kein Spur von Regierung, denn die war in Ost-Berlin- Mitte, aber das durfte ja nach westdeutscher Idiologie nicht sein.

Durch Uta Bischoff lernte ich Jens Gerlach, Ehemann ihrer Schwester Katja, in Adlershof kennen. Er war wie ich an Kunst und Jazz interessiert und so wurden wir sehr schnell Freunde. Jens Gerlach war mit der Veröffentlichung seines Lyrikbandes und der Lobdudelei garnicht glücklich und versuchte, möglichst viele Exemplare zurück zu kaufen. Er widmete sich jetzt mehr der Verfassung von Drehbüchern und ich wohnte vielen Diskussionen mit Joachim Kunert bei, und die Ernsthaftikeit und Sachkunde der Gespräche beindruckten mich. Jens Gerlach gab mir mehrmals Drehbücher zur Überarbeitung nach West-Berlin mit.

Jens Gerlach war ein Freund, unerschrocken, aufrichtig und geradlinig. Als ich mein Staatsexamen als Gewerbeoberlehrer gemacht hatte, aber keine freie Stelle fand, mußte ich vorübergehend als Tiefbauingénieur bei der West-Berliner Stadtentwässerung arbeiten. Jens Gerlach brachte mich zum Ost-Berliner Magistrat und stellte mich dort vor. Ich würde sofort als Lehrer eingestellt werden, wenn ich nach Ost-Berlin umziehe. Aber dazu kam es nicht, nach 3 Monaten bot sich mir in West-Berlin eine Stelle als Mathematik und Dekorationslehrer an.

Auf dem Alexanderplatz unterhielten wir uns und als das Thema Freie Meinungsäüßerung aufkam, wir darüber verschiedener Meinung waren, ging Jens Gerlach quer über den Platz zu einem auf dem Podest stehenden Verkehrspolizisten zu: Genosse, mein Freund glaubt, ich könne nicht meine Meinung frei äußern, daß das Zentrakommitee ein Scheißhaufen sei. Der Volkspolizist beugte sich runter und entgegenete: Der Meinung bin ich auch, Genosse.

Wenn man vom Hinterausgang des S-Bahnhofs Friedrichstrasse in Richtung Club der Theater- und Filmschaffenden ging, kam man an der links liegenden Hajo-Bar vorbei, einem beliebten Treffpunkt der Intelligenz. Als Jens Gerlach dort betrunken unter dem Garderobentisch herumkrabbelte und nach seiner Pistole suchte, mußte die Volkspolizei gerufen werden. Es stellte sich aber heraus, daß es sich um eine Wasserpistole handelte.

Der Club der Theater- und Filmschaffenden war nicht frei zuänglich. Auch ich hatte als Bildender Künstler keinen Zutritt. Das änderte sich aber mit Jens Gerlach und erst recht, als Uta und Eberhard Richter als jung verheitatet vorübergehend ein Zimmer auf dem Dachboden des Seitenflügels bekamen.

Nach der Wende habe ich mit meiner Frau Uta und Eberhard Richter in ihrer neuen Wohnung in der Schönhauser Alleé besucht und habe auch mit Katja Gerlach telefoniert. Meiner Erinnerung nach ist Jens Gerlach nach der Wende 1990 freiwillig aus dem Leben geschieden. Nach Wikipedia soll er am 19.11.1990 in Hamburg gestorben sein. Günter Wirth 17:50, 13. Okt. 2012 (CEST) Günter Wirth 15:29, 13. Okt. 2012 (CEST)